Neueste Rechtsprechung der Finanzgerichte

6. Juni 2012 - Steuerrecht

Die Finanzgerichte haben in den vergangenen Monaten eine Reihe von Entscheidungen getroffen, welche erheblichen Einfluss auf die Besteuerungspraxis nehmen werden:

Das Hessische Finanzgericht bestätigt mit seinem Urteil vom 09.11.2011 (Az. 3 K 1122/07) die Auffassung eines Finanzamts, dass im beurteilten Falle Kinder für die Steuerverbindlichkeiten ihrer Eltern haften. Gegen die Vorgehensweise des Finanzamts geklagt hatte ein Vollstreckungsschuldner. Der von seinen Eltern ein Haus mit Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge geschenkt bekommen hatte. Die Eltern hatten zum diesem Zeitpunkt der erhebliche Steuerrückstände. Nachdem das Finanzamt erfolglos gegen die Schuldner die Zwangsvollstreckung betrieben hatte, erließ es gegen die Beschenkten einen Duldungsbescheid, mit dem es die Anfechtung der Grundstücksübertragung wegen Gläubigerbenachteiligung nach den Regeln des Anfechtungsgesetzes erklärte. Das Finanzamt habe ermessensfehlerfrei zu einer Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz gegriffen. Eine gleich geeignete und weniger belastende Alternative habe das Finanzamt zur Realisierung der Steueransprüche im Vergleich zum Duldungsbescheid nicht gehabt. Anfechtbar sind nach dem Anfechtungsgesetz einerseitts (auch nur teilweise) unentgeltliche Leistungen und andererseits solche, welche Gläubiger vorsätzlich benachteiligen. Sowohl der öffentlichen Hand, wie auch privaten Gläubigern ist im Falle der Übertragung von Vermögensgegenständen von Schuldnern insbesondere auf mit diesen im Sinne § 138 InsO verbundenen Dritten nicht selten die Anfechtung derartiger Vermögensverfügungen eröffnet, weil hier innerhalb gesetzlicher Fristen eine vorsätzliche Benachteiligung des Schuldners vermutet wird.

Zwei Entscheidungen des Bundesfinanzhofs bestätigen, dass mittlerweile die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für häusliche Arbeitszimmer auf wenige Ausnahmen beschränkt ist. Nach der Neuregelung im Jahressteuergesetz 2010 können nämlich diese Aufwendungen nur abgezogen werden, wenn entweder ein anderer Arbeitsplatz nicht zur Verfügung steht oder wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet. Die Grenzen der Abzugsfähigkeit zeigt nunmehr der BFH in zwei Entscheidungen, eine zum Arbeitszimmer eines Hochschullehrers und eine zu demjenigen eines Richters auf EDD. Selbst für Hochschullehrer (BFH-Urteil vom 27.10.2011, Az. VI R 71/10) und Richter (BFH-Urteil vom 08.12.2011, Az. VI R 13/11), beides fleißige „Heimwerker“, bilde, so das oberste deutsche Finanzgericht, das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung. Ein Abzug nach der ersten Variante kam in beiden Streitfällen nicht in Betracht, weil beide einen vom Dienstherren zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz nutzen können. Aber auch die zweite Variante greife nicht ein. Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Hochschullehrers sei die Vorlesung in der Universität und für den Richter die Ausübung der rechtsprechenden Tätigkeit im Gericht.

Urteil vom 20. Dezember 2011 – 1 K 4150/08 E – hat das Finanzgericht Münster die Abzugsfähigkeit von Kosten einer doppelten Haushaltsführung bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anerkennt, obwohl die klagende Steuerpflichtige keine Kosten für die Wohnung an deren Lebensmittelpunkt trug.
Die Klägerin heiratete im Dezember des Streitjahres, war zuvor mit ihrem späteren Ehegatten in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft verbunden. Die Klägerin hatte an ihrem Beschäftigungsort während des gesamten Streitjahres eine Wohnung und hielt sich an den Wochenenden und im Urlaub in der Wohnung des Partners an einem etwa 90 km entfernt liegenden Ort auf. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten Aufwendungen für die Wohnung am Beschäftigungsort und für Familienheimfahrten für den Zeitraum vor der Eheschließung nicht an, da die Klägerin sich nicht finanziell an den Aufwendungen für die Wohnung des Lebensgefährten beteiligt habe.
Das Finanzgericht Münster gab der hiergegen gerichteten Klage statt, ließ aber die Revision zum Bundesfinanzhof zu. Der Lebensmittelpunkt der Klägerin habe am Ort der Wohnung des Partners gelegen, da sie dort einen eigenen Hausstand unterhalten habe. Eine finanzielle Beteiligung an den Kosten des Haushalts und eine Meldung als Erstwohnsitz seien zur Annahme eines solchen Lebensmittelpunkts nicht zwingend erforderlich. Die Gesamtumstände – insbesondere die spätere Eheschließung – sprächen für eine Verlagerung des Lebensmittelpunkts der Klägerin in die Wohnung des Partners.

Mit Urteil vom 17. November 2011 – 2 K 507/07 E – sprach das Finanzgericht Münster einem beschränkt steuerpflichtigen Sonderausgabenabzug zu, welchen die Finanzverwaltung unter Hinweis auf § 50 Abs. 1 EStG versagt hatte. Der im EU-Ausland ansässige Kläger hatte von seinem Vater im Wege der vorweggenommenen Erbfolge einen Gesellschaftsanteil übertragen bekommen, mit dem er inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Deutschland erzielte. Im Gegenzug gewährte der Kläger seinem Vater wiederkehrende Leistungen, die dauernde Lasten im einkommensteuerrechtlichen Sinne darstellten. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil ist unter dem Az. I B 190/11 anhängig.

Mit Urteil vom 07.07.2011 – 3 K 4368/09 hat das Finanzgericht Baden- Württemberg entschieden, die rückwirkende Beschränkung der Verrechnung von Verlusten aus sogenannten Steuerstundungsmodellen sei nicht verfassungswidrig. Es ging um den Beitritt eines Kommanditisten zu einer Gesellschaft, die ihrerseits durch Beteiligung an Windparks planmäßig Verluste erzielt. Der Anleger ging davon aus, dass er Verluste mit positiven anderen Einkünften verrechnet werden und auf diese Weise zur Steuererstattung gelange. Der dem Anleger bei Zeichnung vorliegende Prospekt hatte auf Steuervorteile, aber auch darauf verwiesen, Gesetzesänderungen in diesem Zusammenhang seien möglich. Parallel zur Beteiligung des Anlegers führte der Gesetzgeber den neuen § 15b EStG ein, der diese Verrechnung mit anderen Einkünften ausschließt. Als Folge dessen versagten die Finanzbehörden dem Kläger die erhoffte Steuererstattung für das Streitjahr. Die in § 15n EStG enthaltene Vorziehung des Anwendungsstichtag verstoße nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht gegen verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbote.
Das Finanzgericht schloss sich dieser Auffassung der Finanzverwaltung an und wies die Klage des Anlegers unter Hinweis darauf ab, derartige Einschränkungen des sofortigen Verlustausgleichs seien nicht zu beanstanden seien, solange die Verluste zumindest zu einem späteren Zeitpunkt steuerlich berücksichtigt werden können. Auch die rückwirkende Anwendung des § 15b EStG hielten die Richter für zulässig, weil das Vertrauen des Anlegers in die frühere Rechtslage nicht mehr schutzwürdig gewesen sei. Der Anleger sei mit dem Anlage – Prospekt und auch durch einschlägige Pressemeldungen auf die Möglichkeit einer Gesetzesverschärfung hingewiesen worden. Gegen die Entscheidung ist Revision zum Bundesfinanzhof – IV R 40/11 – eingelegt worden.

Der BFH hat durch Urteil vom 25.10.2011 – VII R 55/10 – dass der nach Verjährung eingetretene Rechtsfrieden von größerer Bedeutung, als Steuergerechtigkeit und das vereinnahmungsinteresse des Fiskus seien. Nach Ablauf der Verjährungsfrist solle Rechtssicherheit darüber einkehren, was der Steuerpflichtige aufgrund einer Steuerfestsetzung zu zahlen hat und was ihm zu erstatten ist. Im Streitfall hatte das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid den zehnfachen Betrag der für den Steuerpflichtigen abgeführten Lohnsteuern angerechnet. Die hohe Steuererstattung vereinnahmte der der Steuerpflichtige stillschweigend. Erst mehr als fünf Jahre später korrigierte die Finanzverwaltung die Anrechnungsverfu?gung und verlangte den zu viel ausgezahlten Erstattungsbetrag zurück.
Der BFH befand, das Finanzamt könne versehentlich zu viel angerechnete Lohnsteuer nicht mehr zurückfordern, wenn seit dem Erlass des Einkommensteuerbescheids mehr als fünf Jahre verstrichen sind. Das Finanzamt dürfe deshalb nach Fristablauf keine Zahlungsansprüche mehr geltend machen, ebenso wenig wie der Steuerpflichtige noch verlangen könne, dass nachträglich etwas angerechnet und erstattet wird.
Steuerrechtliche Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern mit Ehegatten geboten? Das Finanzgericht Köln entschied durch Beschluss vom 07.12.2011 – 4 V 2831/11, eingetragene Lebenspartner seien bis zur einschlägigen grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der Lohn- und Einkommensteuer vorläufig wie Ehegatten zu behandeln. Nach Auffassung des FG Köln haben anhängige Verfassungsbeschwerden zur einkommensteuerrechtlichen Ungleichbehandlung von Lebenspartnern gegenüber Ehepartnern Aussicht auf Erfolg. Partner einer Lebenspartnerschaft wollten auf ihren Lohnsteuerkarten unter Anwendung des Faktorverfahrens die Steuerklasse IV eingetragen bekommen. Dies ist nach der aktuellen gesetzlichen Regelung nur Ehegatten vorbehalten. Die Finanzverwaltung lehnte dieses Ansinnen ab und versagte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.
Diesen Schutz gewährte nun das Finanzgericht. Es stützte sich dabei auf die Entscheidung des BVerfG vom 21.07.2010 – 1 BvR 611/07 -, wonach die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Erbschaftsteuerrecht als verfassungswidrig angesehen sei. Über die Frage, ob auch das Einkommensteuerrecht insoweit verfassungswidrig ist, als es zwischen Ehe und eingetragener Lebensgemeinschaft differenziert, wird dürfte das Bundesverfassungsgericht in zwei anhängigen Verfassungsbeschwerden (2 BvR 909/06 und 2 BvR 288/07) in absehbarer Zeit entscheiden. Diese beiden anhängigen Verfassungsbeschwerden hätten Erfolgsaussichten, sodass einstweilen eine Gleichbehandlung geboten sei.

Der BFH entschied mit Urteil vom 06.10.2011 – Az. VI R 56/10 -, die Nutzung eines Fahrzeugs des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer allein für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sei keine privat veranlasste. Der Gesetzgeber habe diese Fahrten in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG und § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG der Erwerbssphäre zugeordnet.
Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt dies zu einem steuerbaren Nutzungsvorteil, der als Arbeitslohn zu versteuern ist. Der Vorteil ist entweder anhand des Fahrtenbuchs oder nach der 1 %-Regelung zu bewerten. In einem aktuellen Fall standen einem Autoverkäufer diverse Firmenwagen für Vorführfahrten zur Verfügung. Darüber hinaus durfte er diese auch für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen, aber nicht weitergehender privat. Das Finanzamt wendete die 1 %-Regelung an. Der BFH, das höchste deutsche Finanzgericht hielt diese Belastung des Arbeitnehmers jedoch für unzulässig.