Kanzlei Nickel vor dem Bundesgerichtshof

10. Oktober 2016 - Allgemein

Am 12.10.2016 entscheidet der Bundesgerichtshof über eine Streitigkeit, bei der es um das Eingreifen und die Reichweite der verbraucherschützenden Beweislastumkehr nach § 476 BGB geht. Beim Verbrauchsgüterkauf schuldet der Verkäufer unabdingbar Gewährleistung dafür, dass der Kaufvertragsgegenstand zum Zeitpunkt der Übergabe die vertraglich geschuldeten Beschaffenheiten aufweist. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Übergabe. Mit der Übergabe geht auch die sogenannte Gefahrtragung auf den Käufer über. Geht die Sache ab diesem Zeitpunkt kaputt, so hat dies der Käufer selbst zu verantworten. Manche Fallgestaltungen sind ganz einfach zu entscheiden. Der Käufer einer Vase, welche kurz nach Übergabe herunterfällt und in tausend Teile zerspringt, der wird nicht nach seinem Verkäufer rufen können und von diesem Ersatz begehren können. Was aber ist, wenn die Sache schon mangelbehaftet übergeben wird, der Mangel sich aber erst nach der Übergabe zeigt. Hier sind wieder die Fälle einfach, wo sonnenklar ist, dass der Mangel bereits vorhanden war, dann haftet der Verkäufer. Häufig weiß man dies aber gar nicht so genau, der Verkäufer sagt die Sache war prima in Ordnung, der Käufer sagt sie sei bereits bei Übergabe defekt gewesen, der Mangel habe sich nicht gezeigt. Hier hilft dem Käufer in vielen Fällen das Gesetz, es gibt in § 476 BGB eine Beweislastumkehr, welche wie folgt lautet:

„Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar“.

Folgender Fall, der von der Hanauer Kanzlei Nickel vor dem Landgericht Frankfurt und Oberlandesgericht Frankfurt erfolgreich vertreten werden konnte liegt nunmehr dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor, am 12.10.2016 steht die mit Spannung erwartete mündliche Verhandlung an:

Der Kläger kaufte von der Beklagten, einer Kraftfahrzeughändlerin, einen gebrauchten BMW 525d Touring zum Preis von 16.200 €. Nach knapp fünf Monaten und einer vom Kläger absolvierten Laufleistung von rund 13.000 Kilometern schaltete die im Fahrzeug eingebaute Automatikschaltung in der Einstellung “D” nicht mehr selbständig in den Leerlauf; stattdessen starb der Motor ab. Ein Anfahren oder Rückwärtsfahren bei Steigungen war nicht mehr möglich. Nach erfolgloser Fristsetzung zur Mangelbeseitigung trat der Kläger vom Kaufvertrag zurück und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises und den Ersatz geltend gemachter Schäden.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat im Einklang mit dem Landgericht die Auffassung vertreten, der Kläger habe nicht den ihm obliegenden Beweis erbracht, dass das Fahrzeug bereits bei seiner Übergabe einen Sachmangel aufgewiesen habe. Zwar seien die aufgetretenen Symptome nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen auf eine zwischenzeitlich eingetretene Schädigung des Freilaufs des hydrodynamischen Drehmomentwandlers zurückzuführen. Auch sei es grundsätzlich möglich, dass der Freilauf schon bei der Übergabe des Fahrzeugs mechanische Veränderungen aufgewiesen habe, die im weiteren Verlauf zu dem eingetretenen Schaden geführt haben könnten. Nachgewiesen sei dies jedoch nicht. Vielmehr komme als Ursache auch eine Überlastung des Freilaufs, mithin ein Bedienungsfehler des Klägers nach Übergabe in Betracht.

Bei einer solchen Fallgestaltung könne sich der Kläger nicht auf die zugunsten eines Verbrauchers eingreifende Beweislastumkehrregelung des § 476 BGB* berufen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründe diese Vorschrift lediglich eine in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung dahin, dass ein innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang aufgetretener Sachmangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen habe. Sie gelte dagegen nicht für die Frage, ob überhaupt ein Mangel vorliege. Wenn daher – wie hier – bereits nicht aufklärbar sei, dass der eingetretene Schaden auf eine vertragswidrige Beschaffenheit des Kaufgegenstands zurückzuführen sei, gehe dies zu Lasten des Käufers.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Dabei macht er insbesondere geltend, dass die bislang vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zum Eingreifen und zum Umfang der Beweislastumkehr nach § 476 BGB* – auf denen die Entscheidungen der Vorinstanzen beruhen – nach der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 4. Juni 2015 (C-497/13, NJW 2015, 2237 – Faber/Autobedrijf Hazet Ochten BV) einer Korrektur zugunsten des Käufers bedürften.

Vorinstanzen:

Landgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 27. Mai 2013 – 2/18 O 443/10

Oberlandesgericht Frankfurt am Main – Urteil vom 14. April 2015 – 10 U 133/13